Die Nacht war ok. 05.20 Uhr aufgestanden, der Japaner regt sich im Esszimmer tierisch darüber auf, dass jemand sein
Frühstück gegessen hat. Der Franzose räumt ganz gelassen
ein unbenutztes, jungfräuliches Gedeck von links nach rechts,
und der Japaner freut sich, dass nun sein Frühstück wieder da
ist. Der Franzose nimmt den Japaner in den Arm, drück ihn
fest an sich flüstert deutlich vernehmbar: "Peace!"
Kopfschütteln ob dieser völlig eigenartigen Deeskalation...
Die verpönte Strecke entlang der Bundesstraße ist herrlich still, keine Autos, nur der coole Franzose und ich.
Ich bin wesentlich schneller als er und bald ist er außer
Sichtweite. Nach ca. 10 km ein schönes Restaurant angesteuert,
Cafè con Leche, Croissant und Marmelade = € 2,50 (Bitte
nicht über meine einseitigen Frühstücksgewohnheiten
wundern,
etwas Herzhaftes gibt es in Spanien nicht zum Frühstück und von Brot haben sie leider auch keine Ahnung...)
Rucksack neu justiert wegen meiner schmerzenden Fersen, würde leider am Ende auch nichts bringen. Ich raus aus
dem Restaurant und der coole Franzose kommt rein, buen Camino. Ich bin heute viel zu schnell unterwegs, trotzdem halten
sich meine Schmerzen in Grenzen. Nach 28 km in Villares de Orbigo noch eine Rast eingelegt mit Mineralwasser
und Banane. Was tun? Viel zu früh Quartier beziehen? Die nächste Herberge ist 10 km weiter. Nein, lieber viel zu
früh pausieren, meine dumme Aktion zwischen Roncesvalles und Pamplona ist noch zu frisch im Gedächnis.
Morgen folgt ohnehin wieder eine längere Etappe (34 km mit Aufstieg von 800 auf 1.200m), ist gar nicht so verkehrt,
sich vorher zu schonen. In der privaten Herberge sitzen ziemlich viele lärmende Touristen, ich also wieder raus und
rüber zu der kirchlichen Herberge. Die Damen in Schwarz haben außer ihr Spanisch leider keinerlei Sprachkenntnisse,
so dass uns der Google Übersetzer helfen muss. Übernachtung
inkl. 3-Gänge-Menü, € 15,-. Na das soll mir was werden.
Ich beziehe das untere Bett eines Stockbettes, Kopffreiheit ca. 70 cm., Toiletten, Dusch- und Waschgelegenheiten
draußen im Garten. Von diesen Einrichtungen haben sich allerdings alle Türen so verzogen, dass sie nicht mehr in
die Rahmen passen, was bedeutet, dass Du beim (...na Du weißt schon...) mit einer freien Hand die Tür zuhalten musst.
Nachdem ich das Pflichtprogramm abgespult hatte, bin ich raus, um mir den Ort anzusehen. Dabei kam ich wieder
an der privaten Herberge vorbei. Biergarten leer, kein Mensch... Siesta? Neugierig wie ich bin, rein in den Biergarten.
Nein, ist offen. Also setze ich mich hin und trinke in Ruhe mein Bier. Zwei Pilger stolpern rein...Alex und Tony... ;-)
Großes Hallo und Erfahrungsaustausch. Ich meinte zu den beiden, dass sie sicherlich Glück hatten in dieser tollen
Herberge überhaupt noch ein Bett bekommen zu haben. Später stellte sich dann heraus, dass sie die einzigen Gäste
waren. Ich hatte keine glückliche Hand mit meinen Entscheidungen heute, wie es schien.
Das Essen in der kirchlichen Herberge entschädigte für alles.
Die Nonnen haben wirklich mit Liebe alles frisch zubereitet
und haben es an nichts fehlen lassen.
Mit am Tisch saßen noch ein Deutscher, eine Russin und eine
Australierin. Die Russin überreichte mir plötzlich ein
kleines Päckchen woraufhin ich sie fragend ansah. Sie erklärte mir dann in englischer Sprache, dass es in Russland
einen Brauch gibt: Wenn man längere Zeit von seiner Heimat fortgeht, nimmt man etwas mit und schenkt es auf dem
Weg einem Fremden. Der war dann in dem Fall ich. Auf meine Frage, was denn da drin ist, antwortete sie knapp:
"Gingerbread!" Eine Art Lebkuchen, hergestellt in ihrem Heimatdorf in Russland. Total süße Geste von ihr.
Ich bin dann in die Küche um mir ein Messer zu besorgen, das kleine Küchlein habe ich dann in vier gleich große
Stücke geteilt und wir hatten ein zweites Dessert: Gingerbread
Und das wiederum fand die Russin eine süße Geste. ;-)